Russlands Überfall der Ukraine, die Klimakrise und jetzt Roe v Wade. Die Zeitenwende hat schon eingesetzt und wir wachen in einer neuen Welt auf, wenn wir uns nicht anstrengen.
Trotzdem wollen wir drei Punkte ganz am Anfang dieser Reading List hervorheben, die uns wichtig sind.
Eigentlich sollten wir gerade mitten im Hot Girl Summer sein. Der erste Sommer nach der Pandemie, der wegen Omikron schon einmal verschoben werden musste. Endlich wieder unbeschwert leben — mittlerweile schon fast ein wenig egal ob mit oder ohne Impfung. Jetzt stellen wir fest: wir haben uns geirrt.
Dass Corona von Verschwinden weit entfernt ist, ist dabei sogar noch das geringste Problem. Stattdessen rückt immer mehr ins Bewusstsein, dass die alles beherrschende Pandemie nur ein kleiner Teil unserer Herausforderungen ist. Aus dem Hot Girl Summer wird der Hottest Summer of your Life.
Und ist es nicht nur der Klimawandel. Haben wir im Winter genug Gas zum Heizen? Was macht die Inflation? Wird die Welt eine noch nie dagewesene Hungersnot heimsuchen? Gefolgt von der Flüchtlingskrise unseres Lebens?
Während die Politik noch vermitteln will, es sei alles unter Kontrolle, dämmert uns immer mehr, dass es hier nur um Beruhigung geht.
Noch schlimmer ist eine andere Erkenntnis. Das Unvermögen der Regierungen uns durch die Krisen des 21. Jahrhunderts zu steuern, hat weniger mit Unfähigkeit zu tun. Auch das hat Corona ausgesprochen deutlich gezeigt. Es gab einfach keinen richtigen Weg durch die Krise.
Alle Bewertungen waren nur Momentaufnahmen, in denen die Welle gerade entweder ganz oben oder ganz unten war. Keine Staatsform hat sich eindeutig als am besten geeignet erwiesen, um durch die Krise zu kommen, auch wenn es Momente gab, als wir voller Neid auf die autoritäre Durchsetzungsfähigkeit der Chinesen geschaut haben. Doch nur kurze Zeit später hatten sich Bevölkerung und Expert:innen schon wieder auf das genaue Gegenteil geeinigt. Der schwedische Weg oder der Österreichische? Alles eine Frage der Auslegung.
Dabei war unsere Welt schon früher nicht mehr vorhersagbar und, noch schlimmer, auch nicht steuerbar geworden. Wir wollten es nur nicht sehen. 9/11, Lehman Brothers, die Flüchtlingskrise 2014, Trump, der Brexit und die Farce rund um die Klimakrise sind Belege für eine verrückt gewordene Welt, die aus den Fugen geraten ist. Corona und die aktuellen Bemühungen um die Inflation sind nur die jüngsten Beispiele.
Man kann durchaus argumentieren, dass das noch nie anders war: Dass wir wie im Ersten Weltkrieg schon immer schlafwandelnd von der einen Katastrophe in die nächste getorkelt sind. Aber eine Kombination aus Globalisierung und Social Media haben diese Entwicklung noch einmal beschleunigt und die Folgen schwerwiegender gemacht: Im 21. Jahrhundert gibt es keine isolierten Ereignisse mehr. Je mehr alles miteinander vernetzt ist, desto anfälliger ist das System selbst bei kleinen Irritationen.
Was bleibt uns also übrig, wenn nach Gott jetzt auch noch die Eliten und Institutionen tot sind?
Auf wen können wir uns verdammt noch einmal verlassen?
Nur auf uns selbst.
Je nach Sichtweise ist das die letzte, ultimative Kränkung. Oder das genaue Gegenteil.
Dank des Internets haben wir Zugang zu so viel Wissen wie noch nie.
Wir können zuhören, lernen und wachsen (wie es so schön in allen Entschuldigungen der letzten 10 Jahre heißt, die etwas auf sich halten) und dann so gut es geht danach handeln.
Diese Argumentation ist gerade im linken Diskurs nicht besonders populär, der einen starken Staat in der Verantwortung sieht, der wiederum den Markt steuert. Aber darauf zu warten, ist genauso vergeblich wie hoffnungslos. Eine Änderung ist nur möglich, wenn jede:r einzelne sich der Macht des eigenen Tuns bewusst wird.
Die Alternative – und damit die größte Gefahr für den Fortbestand der Menschheit und des Planeten ist ein Hedofatalismus, der immer weitere Kreise zieht. Ein sich der Welt ergeben und es sich dabei möglichst gut gehen zu lassen, weil eh schon alles verloren ist. Es ist die wehleidige Weiterentwicklung eines Individualismus, der zwar den Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, aber ohne die daraus entstehende Macht und Verantwortung mitzudenken.
Die Zeichen dafür sind weit sichtbar und unzählig: The Great Resignation hat weniger mit einer Abkehr vom Kapitalismus zu tun, als mit einer Hinwendung zum Hier und Jetzt, weil der Glauben an ein besseres Morgen schon verloren ist. Lieber nicht die Zeit mit Arbeiten verschwenden, weil wer weiß, wie lange das alles hier noch gut geht. Und selbst in den Drogen setzt sich der Zeitgeist durch: Wer hat noch Lust auf Kokain oder Speed, wenn es Xanax gibt?
Die Wut der Gen Z auf die Boomer nachvollziehbar, aber nicht die Konsequenzlosigkeit, die darauf folgt. Wer es ernst meint, müsste auch auf die Früchte des über Jahrzehnte erarbeiteten Wohlstands verzichten. Der basiert nämlich nicht nur auf der Zerstörung des Planeten und jahrhundertelangem Kolonialismus, sondern natürlich auch auf billigem Gas aus Russland, das unter anderem den Kampf gegen Gay-Europe finanziert. Wie dieser Kampf ausgeht, das hängt vor allem von uns selbst ab.
“Who the fuck are you? I’m a brat when I’m bumpin’ that”
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