Europa wird wieder von einem Krieg erschüttert. Ganz am Anfang, noch bevor man sich mit dem warum und den Folgen für unsere Welt beschäftigt, steht die Frage, wie man am besten helfen kann. Auf Social Media gibt es eine Vielzahl von Initiativen, und wir sind sicher, ihr findet genau das, was für euch das “Richtigste” ist.
Trotzdem wollen wir drei Punkte ganz am Anfang dieser Reading List hervorheben, die uns wichtig sind.
In einem Krieg, der auch ein Info-War ist, ist es oft sinnvoll, auf etablierte Quellen zurückzugreifen. Sowohl was die Nachrichten betrifft, als auch das Helfen. Wenn es um Spenden und Hilfe vor Ort geht, sind das unserer Meinung nach die Caritas und Nachbar in Not.
Bei der Welle an Solidarität, die sich durch alle Länder und Gesellschaftsschichten zieht, wird leicht übersehen, dass die Hilfsbereitschaft nicht für alle gilt. Bundeskanzler Nehammer spricht davon, dass es nicht “klassische Flüchtlinge” seien, “sondern Europäer, die nachbarschaftlichen Schutz benötigten” und die Realität ist, dass POCs an der Grenze oft abgewiesen werden.
Tori hat hierfür Links zusammengestellt, wo man sich informieren kann. Er empfiehlt dem Journalisten Malcolm Ohanwe zu folgen, der unter anderem für Die Zeit das Thema aufgeschrieben hat. Und den Twitter Account von Alexander Somto (Nze) Orah für einen Erfahrungsbericht aus erster Hand.
Was wir von diesem Krieg mitbekommen, hängt immer auch davon ab, wem wir folgen und in welcher Bubble wir uns bewegen.
Und als drittes wollen wir euch das Hotel am Brillanten Grund ans Herz legen. Marvin und sein Team haben ihre Zimmer für Ukrainische Flüchtlinge geöffnet, veranstalten gemeinsam mit der Healthy Boy Band das Fine Dine for Ukraine und sind eine gute Anlaufstelle für alle, die in Wien leben und helfen wollen.
Als am Anfang dieses Krieges die Gewalt von Russlands Armee in Form von Raketen und Special Forces über die Ukraine hereingebrochen ist, erschien ein Meinungspiece in der NYT.
Wir, so der Grundtenor, hätten über Jahre gedacht, Russlands Stärke liegt im Informationskrieg, im Beeinflussen der öffentlichen Meinung und sehen jetzt, dass es doch die militärische Schlagkraft ist, die Realitäten schafft.
Deutschland scheint diese Auffassung zu teilen und macht 100 Milliarden für die Aufrüstung locker, die die USA schon seit Jahrzehnten einfordern. Lange habe man sich in Europa zu sehr auf die militärische Macht der USA verlassen und die eigene vernachlässigt.
Währenddessen setzt Russland den Vormarsch in der Ukraine fort.
Trotzdem zeigt sich einige Tage später auch ein anderes Bild.
Es ist zwar dumm zu sagen, der Krieg findet im Internet statt, während jeden Tag tausende Ukrainer:innen gegen eine feindliche Invasion kämpfen, aber er findet AUCH dort statt. Auf Social Media, in den Medien und in der öffentlichen Meinung, weshalb am Anfang des dritten Irak Kriegs auch die Lüge über vermeintliche Massenvernichtungswaffen stand.
Wie stark die Sanktionen ausfallen, hängt hauptsächlich davon ab, wie sehr die Bevölkerung im Westen bereit ist, das auch am eigenen Leib zu spüren. Denn in einer globalisierten Welt trifft es immer alle. Wir sehen die Auswirkungen jetzt schon an den steigenden Öl-und Gaspreisen. Oder am stark fallenden Kurs der Banken, allen voran der RBI, die knapp 50% ihres Gewinnes in Russland erwirtschaftet. Das ist nur der Anfang. Von Getreide über Kabel für die Autoindustrie bis hin zu Edelgasen für die Chipindustrie liefert die Ukraine — ein Land fast 2x so groß wie Deutschland —wichtige Rohstoffe. Die alle bald fehlen werden. Oder es jetzt schon tun.
Und trotzdem hat sich auch hier der Wind gedreht. Die Sanktionen werden von einer breiten Masse unterstützt und von den anfangs sehr zaghaften Maßnahmen ist keine Rede mehr:
Schweiz und Singapur blockieren Konten (beides absolute Firsts). Die neutralen Staaten Finnland und Schweden liebäugeln damit, der NATO beizutreten und die Visegrad Staaten sind so vereint wie noch nie.
Auch kulturell und sportlich hagelt es nach einem zögerlichen Anfang Konsequenzen.
Das äußert sich im Ausschluss von allen russischen Fußballclubs bei FIFA 22 genauso, wie in der Kündigung des Chefs der Münchner Philharmoniker, der Meldung von Disney, Filme nicht mehr in Russland zu zeigen, dem Ausschluss aus dem Eurovision Songcontest, der Absage des Champions League Finale in St. Petersburg, diversen Ski-Rennen und der Formel 1. Netflix zieht genauso Konsequenzen wie Google.
Putin und mit ihm ganz Russland sind gecancelled — zumindest in der westlichen Welt.
Es scheint fast, als hätte das Eingreifen von Big Tech den entscheidenden Unterschied gemacht. Für die Welt, so bekommt man den Eindruck, ist es relevanter, wie Elon Musk zum Thema steht, als Joe Biden.
Apple, Google und viele weitere folgen.
Sie sorgen dafür, dass die Russ:innen keine iPhones mehr kaufen oder nicht mehr mit dem Handy bezahlen können oder, dass Russische und Weißrussische Only Fans Accounts geblockt werden.
Wenn Elon Musk auf Bitten der Ukraine Starlink Equipment einfliegt, Google russische Medienhäuser fallen lässt, Nokia keine Hardware mehr ins Land bringt und Microsoft direkt dabei hilft Cyberangriffe abzuwehren, dann ist klar, dass Big Tech auch Big Power hat. Sogar wenn es um Geopolitik geht.
Oft fühlt es sich so an, als würde ein Krieg auf alte Weise geführt — und mit ganz neuen Methoden beantwortet.
Russland hat seit Jahren vor allem über Facebook in das Weltgeschehen eingegriffen — sei es bei Brexit, dem Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump oder vermutlich ganz generell bei Wahlen in Deutschland, in Frankreich und wo auch immer.
Das fühlte sich damals sehr modern und future an — schaut aber im Vergleich zur geballten Influencer:innen Power auf TikTok, die der ukrainische Präsident in seiner Rede am Tag vor der Invasion sogar direkt anspricht, aktuell ein wenig alt aus. Facebook, so scheint es, taugt nicht mehr wirklich, um die Stimmung maßgeblich zu beeinflussen.
Auch das Setzen auf Crypto und NFTs trägt wahrscheinlich mehr zu einem zukunftsgewandten Image bei, als es tatsächlich Geld einbringt. Obwohl das Spendenkonto laufend wächst.
Und noch deutlicher wird es anhand der Gegenüberstellung von Wolodymyr Selenski und Präsident Putin. Während Selensky knackige One-Liner auf Twitter liefert und mundgerecht für die Medien aufbereitet, sendet Putin überlange Reden im klassischen TV.
Putin, so behaupten einige Beobachter:innen, habe mit einer wesentlich positiver gestimmten Bevölkerung gerechnet. Aber statt die Panzer freudig zu begrüßen, bastelt sie stattdessen Molotov Cocktails und sendet Videos von Wut-Omas in die Welt und Fotostrecken von jungen Frauen im Dienst an der Waffe an Dazed.
Links das aktuelle Profil Cover vom 6. März — daneben das internationale Pendant.
Daraus ergibt sich ein David gegen Goliath Narrativ, das so ansteckend und überzeugend ist, dass es völlig unbeteiligte Menschen in aller Welt dazu motiviert, in den Krieg für die Freiheit zu ziehen, ohne überhaupt zu wissen, für wen genau eigentlich gekämpft wird.
In diesem Umfeld bewegen sich natürlich auch die Unternehmen in Österreich.
Ihr Handlungsspielraum ist im Vergleich zu Apple oder Tesla eingeschränkt, aber es gilt nichts desto weniger, was Virtue Österreich Chef Stefan Häckel anlässlich der ursprünglichen Edeka Reaktion auf LinkedIn veröffentlicht hat:
"Providing help based on their core products and services - or at least showing compassion. In Edeka’s case that could have been providing food for the thousands of people fleeing their homes. Or showing empathy. Which is another human value whereas opportunistic claim twisting is a pure advertising technique from the parallel world and in this case should only drive one other human value: shame."
Das ganze Statement gibt es auf LinkedIn nachzulesen, aber der Anfang ist sehr theoretisch und philosophisch — anders gesagt: vielleicht sind wir zu dumm dafür, aber wir haben keine Ahnung, was Stefan damit mein.
Und dementsprechend wird auch reagiert.
Die ÖBB übernimmt die Reisekosten für ukrainische Kriegsflüchtlinge und errichtet gemeinsam mit der Caritas eine Notschlafstelle am Hauptbahnhof. Die Erste Bank und Sparkassen unterstützen unter anderem mit kostenlosen Bankservices und unkomplizierten Möglichkeiten zu spenden. Und viele weitere Unternehmen werden folgen.
“Who the fuck are you? I’m a brat when I’m bumpin’ that”
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