Reading List

Reading List 15 – Das Jahrzehnt der Fragmentierung

Was bedeutet das Ende von Monoculture für Kommunikation?

Die Gründung von papabogner geht immer wieder auf einen Gedanken zurück: Wir befinden uns in einem Zeitalter des Wandels und die einzige Konstante in diesen bewegten Zeiten ist stetige Veränderung.

Mit papabogner versuchen wir die Antwort auf unterschiedlichste Themen und Fragen zu finden, die so brennen wie noch nie zuvor. Natürlich haben wir (wie könnte es anders sein im Zeitalter des Individualismus?) bei uns selbst angefangen: 

Was bedeutet Arbeit im 21. Jahrhundert und wie viel Zeit wollen wir damit verbringen?

Aber als Firma, die von Millennials ge- und betrieben wird, stellen wir uns auch immer den größeren Zusammenhang:

Was sind die drängendsten Probleme, vor denen unser Planet steht?

Ist das Agenturmodell, so wie wir es kennen, noch sinnvoll?

Und damit engstens verbunden und den Kern von papabogner ausmachend:

Wie steht es um die Kommunikation?

Das Schöne daran ist, dass es für uns alle anderen Fragen mitbeantwortet. Zum Beispiel die erste nach dem Sinn von Arbeit. Denn egal wie klischeehaft es klingt — sich mit Kommunikation auseinanderzusetzen macht uns Freude. So viel Freude, dass es sich gut anfühlt am 24. Dezember darüber zu schreiben. So weit die ziemlich lange Einleitung für die zentrale These, die uns 2020 und darüber hinaus beschäftigen wird:

DIE 20ER SIND DAS JAHRZEHNT DER FRAGMENTIERUNG

Star Wars - The Rise of Skywalker

Content

Wir haben es in den letzten Jahren schon alle irgendwie gespürt. Monoculture, so wie wir sie Jahrelang gekannt haben, kommt an ihr Ende. Und das trotz eines Jahrs, in dem aus einem Film ein Ereignis wurde, wie nie zuvor: Avengers Endgame ist der erfolgreichste Film aller Zeiten und gleichzeitig das Ende von Marvel Phase 3, die sich in ihrer ganzen Struktur weniger wie Kinofilme anfühlt als eine große Serie.

Auch die Star Wars Saga ist mit The Rise of Skywalker auserzählt. Aber in Wahrheit hat Disney die Bedeutung ihres aktuell zweitwichtigsten Franchises schon knapp 2 Monate vorher disrupted. Die Geschichte der Skywalker Dynastie ist bedeutungslos in Anbetracht von Baby Yoda und aus dem einen großen Narrativ wurde ein Ökosystem mit vielen kleinen Sidestories. Statt Boxoffice-Erfolgen zählen die Disney+ Abonnenten

Passend dazu: Auch die größte Serie aller Zeiten ist dieses Jahr zu Ende gegangen und ihre Showrunner canceln den Star Wars Auftrag für einen großen Netflix Vertrag.

Steve Bannon bei Donald Trump

Politik

Die großen politischen Erdbeben des letzten Jahrzehnts zeigen dasselbe Bild. Eine gespaltene Öffentlichkeit. Eigentlich eine geteilte Öffentlichkeit, jede mit ihren eigenen Medien und Wahrheiten unbeeinflusst von der jeweiligen Realität der anderen. 
Steve Bannon spricht einen zentralen Punkt dieser Entwicklung an:

“I love the idea that it was about community, not about traffic.”

Die Kombination aus Donald Trump, Breitbart/Fox und Segmentierung auf Facebook haben schon 2016 gezeigt, in welche Richtung sich Kommunikation verändert. Mit dem Brexit Voting kam der nächste Hinweis, dass wir es mit einer veränderten Art der Kommunikation zu tun haben. Und trotzdem ist das Wahlergebnis im Dezember 2020 in Großbritannien noch immer eine Überraschung. 

Egal ob in der Politik, im Klimaschutz oder bei den großen Fernsehsendern und in der Automobilindustrie (und in der Musikindustrie vor 20 Jahren) — überall gilt dasselbe Motto, von dem wir alle uns schleunigst lösen sollten: 

Es kann nicht sein, was nicht sein soll. Was nicht sein darf.

Welche Farbe hat dieses Kleid?

Das Internet

Der Antrieb für viele dieser Veränderungen ist Facebook. 
Der Algorithmus ist bis zu einem gewissen Grad zur Weltformel geworden (zumindest solange wir China und die ganz eigene Logik des Ostens ausblenden). Und das Kleid, das entweder blau/schwarz oder weiß/gold ist, das Symbol dafür.

Jonah Peretti, der Gründer von Buzzfeed, beschreibt es in einem Interview mit dem New York Magazine so:

The dress was a kind of perfect thing to catch fire at that moment. The internet was less polarized and politicized, and it had shifted to mobile fully. And the algorithm was like, “This is the piece of content everyone in the world should see.”

I think that scared Facebook a little bit. Today, there’s a fear of viral content — you see this in China to an even greater extent. 

Diese Entwicklungen haben wir auch ganz persönlich miterlebt. Der Aufstieg von VICE in Österreich war nur dank Social Media möglich. Klassische Gatekeeper wurden damit einfach ausgeschalten. Plötzlich entscheidet ein Algorithmus, was Inhalte sind, die potentiell interessieren und spielen sie einer breiten Öffentlichkeit aus.

Ein Screenshot aus dem Social Media Ranking im September 2015 von Trending Topics.

Aber diese Beeinflussung geht auch in die andere Richtung: Medien (und genauso Parteien) glauben zu verstehen, was die Bedürfnisse der Menschen (verstärkt durch den Algorithmus) sind und produzieren danach. Es gibt kein Außerhalb mehr, wie man an der Social Media Präsenz des Falters sieht, auch wenn die Innensicht gerne eine andere ist.

Und das absurdeste daran: Diese Entwicklung ist genauso verantwortlich für den Train of Hope wie für Sebastian Kurz und Schwarz/Blau. Und ganz nebenbei für Rezeptvideos, Katzen und alles, was uns sonst noch an Hypes der letzten Jahre einfällt.

Nur: Damit ist es jetzt vorbei. Das haben Medien wie VICE, Buzzfeed und Huffington Post am härtesten zu spüren bekommen.

WAS DAS FÜR UNS BEDEUTET:

Das Ziel in der Kommunikation ist natürlich  immer noch die große Bewegung, das Momentum.

Also anders gesagt: Eine Erzählung, die im Idealfall das ganze Land bewegt. 

Die Herausforderung ist nur, dass uns auf der einen Seite die Medien dafür immer mehr abhanden kommen. Mit der Veränderung des Algorithmus wird Facebook zum reinen Distributionskanal, immerhin vermutlich dem mächtigsten des Landes. Aber genau wie beim klassischen Fernsehen gibts auch hier ein Problem: Die jungen werden immer weniger.
Dementsprechend wird eine Frage immer zentraler:

Haben wir die Mitteln und Wege ganz groß aufzuschlagen? Oder reicht eine fragmentiertere Zielgruppen-Kommunikation? Also eine Kampagne, die abgesehen von der gewünschten Zielgruppe kaum jemand mitbekommt.

David Bogner

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